Vorgeschichte
Seit dem Mittelalter gab es in Arnstadt eine jüdische Gemeinde, der früheste Hinweis findet sich bereits zu 1264. Von Anfang an war die Gemeinde Antisemitismus ausgesetzt und nach den Pestpogromen im Jahr 1349 wurde sie mehrfach von der Arnstädter Bürger:innenschaft aus der Stadt vertrieben. Trotzdem kehrten viele Jüdinnen und Juden zurück. Die erste Erwähnung einer Judenschule stammt aus dem Jahr 1347 und die erste Erwähnung einer Synagoge in der Zimmergasse im Jahr 1423. Anfang 1521 besaß die Gemeinde eine Synagoge an der Erfurter Straße.
1714 erließ die Fürstliche Regierung Schwarzburg-Sondershausen ein Hausierungsverbot für jüdische Händler mit Ausnahme für privilegierte „Schutzjuden.” Das Verbot folgte einer Bitte im Jahr 1706 von der Arnstädter Bürger:innenschaft, um keine Juden und Jüdinnen oder jüdischen Händler mehr in die Stadt zu lassen. Im Jahr 1778 eskalierte die Gewalt gegen jüdische Händler mit dem brutalen Raubmord an David Simon auf dem Arnstädter Marktplatz. Er war einer der „Schutzjuden”, die bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Handel treiben durften.
Nach dem Reichsgesetz von 1869 wurde die jüdische Religion als ein gleichberechtigter Status neben den christlichen Konfessionen anerkannt. Zu dieser Zeit entstand erneut eine jüdische Gemeinde in Arnstadt, als Familien wie Dörnberg, Gutmann, Jonas, Mendel und Wolf von Plaue nach Arnstadt umzogen, wahrscheinlich aufgrund mehrerer Handelsmöglichkeiten. Insgesamt wohnten 18 jüdische Familien in Arnstadt, die meistens als Kaufleute und Viehhändler tätig waren. 15 dieser Familienvorstände schrieben am 1. März 1883 an das Fürstliche Ministerium, um die Gründung der Synagogengemeinde zu beantragen, dies wurde am 1. Juli 1884 bestätigt. Zu den Unterzeichnern gehörten Max Ledermann, Salli Rosenberg, Maier Rosenbaum, Max Friedmann, Leo Katzenstein und Julius Jonas.
Statut der Synagogengemeinde Arnstadt, 1. Juli 1884.(Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
Ende des 19. Jahrhunderts befand sich der Betsaal in der Ritterstraße 7, im Haus der Familie Jonas. Zwischen 1883 und 1921 wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder von 65 auf 122, weshalb Max Ledermann, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde seit 1900, den Bau einer neuen Synagoge plante. Die Gemeinde erwarb im Jahr 1912 für 3.000 Reichsmark (RM) ein Grundstück an der Krappgartenstraße 47. Am 26. September 1913 fand die feierliche Einweihung der neuen Synagoge statt. Das Innere wurde von Andrea Kirchschlager beschrieben: „Der Betsaal war in hellen Farben gehalten, das Gestühl in dunklem Holz, an Wänden und Decken befanden sich Malereien. Der Altarraum war mit lila und goldenen Farben ausgemalt.” (Kirchschlager, 2021, 56.)
Die ehemalige Synagoge in der Krappgartenstraße 47 in Arnstadt, 1920.(Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begann eine verstärkte Verfolgung der Arnstädter Jüdinnen und Juden. 1922 wurden bundesweit sowie auch in Arnstadt jüdische Geschäfte boykottiert und mit antisemitischen Parolen beschmiert. In Arnstadt waren davon verschiedene Geschäfte jüdischer Familien betroffen: die Textilgeschäfte Appel, Arendt, Gottfeld und Hermann Simon; die Konfektionsgeschäfte Salomon Rosenbaum, Georg Simon und Hermann Stern; der Tischlereibedarf Ehrlich; der Malereibedarf Gebrüder Müller; Eisenwaren & Kehlleisten Kontor Ledermann und die Haushaltswarengeschäfte Pommer und Hermann Rosenbaum.
Nach den rassistischen Nürnberger Gesetzen von 1935 durften Arnstädter Jüdinnen und Juden nur noch in bestimmten Geschäften einkaufen: beim Bäcker Straßburg, dem Fleischer Vogt und dem Lebensmittelgeschäft Stoß. Ohne vollberechtigten Reichsbürgerstatus wurden Jüdinnen und Juden aus öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, wie Walter Hirschmann, der als Bankdirektor für 16 Jahre tätig war und von der Deutschen Bank nach 1935 entlassen wurde.
Mit der Zunahme der Gewalt und des Antisemitismus emigrieten die erste Jüdinnen Ilse Gottfeld und Irmgard Mendel im Jahr 1934 nach Uruguay bzw. in die USA. Vor 1938 flohen 16 weitere jüdische Arnstädter Bürger:innen ins Ausland.
Die Ereignisse im November 1938
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Arnstädter Synagoge von SA-Männern in Brand gesetzt. Im Arnstädter Anzeiger vom 10. November 1938 wurde die Zerstörung auf den Mörder von Ernst Eduard vom Rath zugeschrieben:
„Nach Bekanntwerden des Ablebens des durch feige jüdische Mörderhand niedergestreckten deutschen Diplomaten Pg. vom Rath haben sich im ganzen Reich spontane judenfeindliche Kundgebungen entwickelt. Die tiefe Empörung des deutschen Volkes machte sich dabei vielfach in starken antijüdischen Aktionen Luft. Auch Arnstadt stand in der vergangenen Nacht unter dem Eindruck des feigen Pariser Mordes. Gegen 2 Uhr ging die jüdische Synagoge in der Krappgartenstraße in Flammen auf. Während sich die Feuerlöschpolizei sofort zur Brandstelle begab, musste die Polizei die männlichen Angehörigen der jüdischen Rasse in Schutzhaft nehmen, um sie vor der empörten Bevölkerung zu schützen” (Arnstädter Anzeiger, 1938, Nr. 264). Tatsächlich wurden die Feuerwehrleute angewiesen, das Feuer nicht zu löschen. Es war der Beginn einer systematischen Vernichtung, die das jüdische Leben in Arnstadt auslöschte.
Ausgebrannte Innenraum der Synagoge nach dem 10. November 1938, mit dem Schma Israel, dem zentralen Gebet des Judentums, auf Hebräisch: “Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist eins.” (Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
In derselben Nacht verhafteten die SA und die Polizei alle männlichen Juden, insgesamt mehr als 30 Personen. Sie wurden in den Keller des Rathauses gebracht, misshandelt und dort einen Tag lang eingesperrt. In den folgenden Tagen wurden einige von ihnen ins KZ Buchenwald deportiert, darunter David Ambach, Arnold Arendt, Max Friedmann, Walter Hirschmann, Siegmund Katz, Adolf Mendel, Albert Müller, Julius Oppenheimer und Hermann Vorreuter. Alfred Gottfeld, ein Kriegsteilnehmer von 1914-1918 und Textilgeschäftsführer, wurde dort am 19. November 1938 um 00:05 Uhr ermordet.
Verhaftet und deportiert: Ausschnitt einer Veränderungsmeldung im KZ Buchenwald vom 14. November 1938 mit Zugängen von Arnstädter Juden.(Arolsen Archives)
Nach der Rückkehr aus Buchenwald wurden die jüdischen Männer gezwungen, ihre Geschäfte und Häuser aufzugeben. Adolf Mendel, Viehhändler und ehemaliger Erwerber des Grundstücks der neuen Synagoge, wurde genötigt, sein Grundstück Ried 7 an die Raiffeisengenossenschaft in Erfurt zwangszuversteigern. Der Kaufvertrag ist datiert vom 28. November 1938.
Nur einen Tag nach dem Pogrom schrieb der Oberbürgermeister Hans Huhn eine Polizeiverfügung an Max Ledermann als Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, dass das Grundstück sofort geräumt, abgebrochen und abgesichert werden müsse, damit niemand es betreten könne. Ledermann wurde mit Geld- oder Haftstrafe bedroht.
Die Ruine der Synagoge wurde in den folgenden Tagen von den Arnstädter Bau- und Transportfirmen sowie der Technischen Nothilfe ausgeräumt und bis Ende Dezember 1938 völlig abgebrochen. Die entstandenen Kosten in Höhe von 2.507,17 RM wurden Max Ledermann und der Jüdischen Gemeinde auferlegt. Die folgenden Arnstädter Firmen waren an den Abbruch- und Aufräumungsarbeiten beteiligt: Fuhrgeschäfte H. u. W. Grökel und E. Krospe u. Söhne, Inhaber Willi Krospe, Holz- und Kohlenhandlung Wilhelm Herzer, Baugeschäfte Werner Hoy, Guido Eisner, Inhaber Werner Eisner, Alexander Bertels und Maurermeister Hermann Schmidt. Heute ist das Grundstück noch in Eigentum von dem Betrieb W. Herzer und Sohn.
Die ausgebrannte Synagoge nach dem Pogrom 1938: Löscharbeiten von Feuerwehrleuten nach der Brandstiftung.(Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
Der Verkauf des Synagogengrundstücks wurde von Dezember 1938 bis Februar 1939 zwischen dem Oberbürgermeister und dem Justizrat diskutiert. Im April 1939 berichtete der Oberbürgermeister an das Ministerium Sekretär in Weimar: „Das Grundstück ist heute ein Garten und erinnert nicht mehr an den früheren Verwendungszweck” (Bauarchiv Arnstadt, Akten der Krappgartenstraße 47). Am 31. Mai 1939 wurde Max Ledermann informiert, dass das Grundstück von der Stadt erworben werden würde zum Preis von 5 RM je Quadratmeter, einem Bruchteil der eigentlichen Wertanlage. Heute wird der Ort der ehemaligen Synagoge als ein privater Parkplatz genutzt, auf dem Schottergrund sind jegliche Spuren des jüdischen Lebens getilgt.
Folgen
Ab dem 1. März 1940 wurden jüdische Familien in Arnstadt gezwungen, in bestimmte Häuser einzuziehen. Bei Familie Ehrlich an der Thomas-Mann-Straße 15 mussten Max und Rosa Samuel, Julia und Dora Schaul sowie Isidor Guthmann einziehen. In das Hirschmann-Haus an der Karolinenstraße 2 zogen Sophie Jonas, Hermann und Fanny Simon sowie Erna Pommer. Beide Häuser lagen in der Nähe der Arnstadt Hauptbahnhof, von wo aus die Arnstädter Jüdinnen und Juden von 1942 bis 1944 systematisch in Vernichtungslagern deportiert wurden.
Auf Anordnung der Gestapo in Weimar wurden die ersten Jüdinnen und Juden um 14:30 Uhr am 9. Mai 1942 aus Arnstadt in das Ghetto Bełżyce deportiert.
Deportiert aus Arnstadt: Ausschnitt einer Deportationsliste ab Weimar vom 10. Mai 1942 mit den Namen von Jüdinnen und Juden aus Arnstadt. Am 10. Mai 1942 wurden Jüdinnen und Juden aus Thüringen und Sachsen in Weimar gesammelt und in das Ghetto Bełżyce in Polen deportiert. Der Deportationszug hielt in Leipzig und Chemnitz, wo 486 weitere Menschen einsteigen mussten, bevor er das Ghetto am 12. Mai 1942 erreichte.(Arolsen Archives)
Zahlung der Unterbringung in Theresienstadt von Bertha Ehrlich in Höhe von 250,00 RM an die Bezirksstelle Mitteldeutschland am 08. September 1942.Einige der Jüdinnen und Juden wie auch Bertha Ehrlich mussten an NS-Deutschland teils hohe Zahlungen leisten, offiziell, um die Unterbringungskosten zu decken. Tatsächlich handelte es sich um lebensunwürdige Unterbringungen. Sie starb am 12. Februar 1943 im Alter von 83 Jahren in Theresienstadt. Ihre Tochter Lydia wurde mit dem ersten Teiltransport in das Ghetto Bełżyce deportiert und ermordet. (Arolsen Archives)
Nach den Pogromen im Jahr 1938 und den folgenden Deportationen wurde die jüdische Gemeinde in Arnstadt ausgerottet und vertrieben. In den Jahren nach den Pogromen flohen mindestens 36 Jüdinnen und Juden ins Ausland. Die Mehrheit der verbliebenen Gemeinde wurde zwischen 1942 und 1944 deportiert und ermordet; nur wenige überlebten die Lagerhaft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gab es keine jüdische Gemeinde mehr in Arnstadt.
Biographien
Familie Mendel
Die Familie Mendel gründete den ersten jüdischen Viehhandel in Arnstadt in 1874. Abraham Mendel wurde am 16. März 1834 in Plaue geboren und führte seit 1857 den Viehhandel seines Vaters Jesaias in Plaue. 1874 zog Abraham mit seiner Frau Charlotte (geb. Ehrlich) ihren fünf Kindern und den Schwiegereltern nach Arnstadt. Dort wohnte die Familie in Ried 7.
Anzeige der Geschäftsveränderung im Arnstädter Tageblatt vom 01. Mai 1878. Nach dem Umzug der Familie wurde aus der Mendel Viehhandel die Firma Mendel & Rosenbaum in Zusammenarbeit mit Maier Rosenbaum. (Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
Die Firma Mendel & Rosenbaum bestand vier Jahre in Arnstadt, bis Maier Rosenbaum im Mai 1878 austrat. Danach gründete Abraham die Firma Mendel & Katzenstein mit Leopold Katzenstein, der am 1. August 1857 in Aschenhausen geboren worden war. 1886 heiratete Leopold die Tochter Abrahams, Fanny Mendel. Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Else und Max.
Firma Mendel & Katzenstein, Ried 7, um 1900. Die Firma bestand von 1878 bis 1912. Sie wurde mit dem Tod von Leopold Katzenstein am 15. August 1912 aufgelöst.(Schlossmuseum Arnstadt)
Abraham Mendel starb am 10. September 1892 im Alter von 58 Jahren. Nach seinem Tod traten Charlotte als Teilhaberin und ihr Sohn Adolf Mendel als Mitinhaber in die Firma ein. Adolf war am 19. März 1875 in Arnstadt geboren worden. 1904 erwarb Adolf das Grundstück an der Krappgartenstraße 47 für den Bau der neuen Synagoge.
Mit der Auflösung Firma Mendel & Katzenstein im Jahr 1912 gründete Adolf die Firma Adolf Mendel, die bis 1938 bestand. Adolf wurde in der Pogromnacht im November 1938 verhaftet und im KZ Buchenwald inhaftiert. Nach seiner Entlassung wurde er gezwungen, das Wohnhaus sowie die Nebengebäude und den Hofraum zu verkaufen. Mit seiner Ehefrau Berta (geb. Rosenthal) gelang ihm die Emigration und überlebte den Krieg in Südamerika.
Familienfoto der Mendels in Arnstadt 1908. Abgebildet: Hermann Mendel (5), Leopold Katzenstein (6), Wolfgang Eichenberg (10), Adolf Mendel (11), Alfred Eichenberg (12), Charlotte Ehrlich Mendel (19), Flora Mendel Eichenberg (23), Toni Eichenberg Mühlfelder (29), Sophie Eichenberg Müller (33).(Privatarchiv der Familie Milford)
Nachfahrin der Mendel Familie (Flora Milford, 2. von rechts) vor Ried 7, Juli 2022. Die ältere Schwester von Adolf Mendel, Flora Eichenberg, wurde 1873 in Arnstadt geboren. Ihre Tochter Toni Mühlfelder emigrierte mit ihrem Sohn Karl Hans am 10. Oktober 1937 von Mannheim nach New York. Flora Milford, fünfte Generation, wurde in New York geboren und besuchte Arnstadt mit anderen Studenten, um ihre Familienwurzeln zu erkunden. (privates Foto)
Stolpersteine vor dem ehemaligen Haus der Familie Mendel, Ried 7, Juli 2022. (Fotos: Breila Fuller)
Das Ehepaar Adolf und Berta Mendel floh 1939 nach Chile und überlebte dadurch. Ihr Sohn Alfred Mendel floh 1936 nach Palästina und überlebte ebenfalls. Max Mendel, der Bruder von Adolf, wurde 1942 deportiert und in Theresienstadt ermordet. Ein dritter Bruder, Julius, 1883 in Arnstadt geboren, überlebte in Chile. Fanny Katzenstein, die Halbschwester von Adolf, wurde 1942 deportiert und am 14. März 1943 in Theresienstadt ermordet.
Familie Rosenbaum
Maier Rosenbaum wurde am 10. März 1850 in Berkach geboren und lebte bis 1874 mit seiner Frau Bertha (geb. Ehrlich, 1860) in Plaue. Danach zogen sie nach Arnstadt und wohnten anfangs bei der Familie Mendel, mit der sie Geschäftspartner waren.
Nach der Auflösung der Firma Mendel & Rosenbaum trat Maier in die Viehhandelsfirma Jonas & Friedmann ein. Die Firma hatte bereits einen Sitz in der Ritterstraße 7; mit dem neuen zweiten Sitz Rosenbaums in der Poststraße 18 wurde die Firma in Jonas, Friedmann & Rosenbaum umbenannt. Ab Januar 1895 wirtschaftete Maier Rosenbaum auf eigene Rechnung.
Das Ehepaar hatte vier Kinder, die alle in Arnstadt geboren wurden: Leo (1879), Hermann (1880), Arthur (1886), und Käthe (1897). Am 1. Januar 1911 trat der älteste Sohn Leo in die Firma seines Vaters ein und mit dem Austritt Maiers in 1921 übernahm er die Firma. Der Bruder Hermann gründete die Firma Hermann Rosenbaum am 15. November 1919 für Metallhandlung im Haus seiner Eltern in der Fleischgasse 1a. M. Rosenbaum war eines der vielen Arnstädter jüdischen Geschäfte, die stark von Boykottierung betroffen waren und musste im September 1937 aufgrund von Konkursverfahren aufgelöst werden.
Leo wurde am 28. November 1938 ins KZ Buchenwald deportiert und war bis Oktober 1940 inhaftiert. Danach floh er mit seiner Frau Hermine nach Belgien, wo die beiden in Mechelen interniert und 1943 in Auschwitz deportiert und ermordet wurden. Ihr Sohn, Joachim (1911), versteckte sich in Belgien und überlebte dadurch.
Werbung der Rosenbaum Metallhandlung im Arnstädter Anzeiger vom 05.09.1920 mit Verkaufsangebote. Die Firma bestand bis 1934.(Stadt- und Kreisarchiv Arnstadt)
Im Jahr 1938 wurde Hermann für fast drei Monate in Buchenwald inhaftiert, bevor er am 10. September entlassen wurde. Er emigrierte mit seiner Frau Paula und ihrer Tochter Gertrude nach New York im November 1939. Seine Schwester Käthe Grünbaum floh 1940 in die USA und überlebte ebenfalls.
Bertha und Maier Rosenbaum sind im Jahre 1928 bzw. 1929 gestorben und sind auf dem Jüdischen Friedhof in Arnstadt begraben.
Merkwürdig ist, dass die Überlebensraten der beiden Familien auch eine Klassenfrage waren, da sich die Mendel- und Rosenbaum-Familien eine Emigration leisten konnten. Leider war dies die Ausnahme.
Justizielle Ahndung
Am 26. und 27. Juni 1950 fand der Prozess des NSDAP-Kreisleiters Wilhelm Mütze im „Haus des Volkes” in Arnstadt statt. Der Staatsanwalt hatte die Todesstrafe für seine Verbrechen an den Arnstädter Juden gefordert; letztendlich erhielt Mütze lebeslänglich Zuchthaus.
Spuren und Gedenken
Heute gibt es kein Denkmal am eigentlichen Ort der ehemaligen Synagoge. Im Jahr 1988 leitete Wolfgang Tittelbach-Helmrich die Errichtung eines Denkmals gegenüber der Krappgartenstraße auf dem alten Friedhof ein. Der Ort und die Gestaltung des Denkmals entstanden in Zusammenarbeit zwischen der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde Arnstadt, dem Landeskirchenrat Eisenach und dem Institut für Denkmalpflege Erfurt.
Der Arnstädter Steinmetzmeister Wolfgang Hildebrand fertigte das Denkmal aus einem Block Granit: 195 cm hoch, 90 cm breit und 80 cm tief. Auf einer Seite des Granits sind die Daten 1938 sowie 1988 eingraviert; auf der anderen Seite ein Davidstern. Die Gedenktafel zeigt einen Menora, Umrisse der Synagoge und die folgenden Inschrift:
„Unweit dieser Stelle befand sich die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Arnstadt, die am 27.09.1913 geweiht wurde. In der Pogromnacht am 9. November 1938 wurde sie durch die Faschisten zerstört. Vergesst es nie!”
Synagogendenkmal aus dem Jahr 1988 im alten Friedhof in Arnstadt, Juni 2024. Direkt hinter dem Denkmal, auf der anderen Seite der Krappgartenstraße, stand die Arnstädter Synagoge von 1913 bis 1938.(Fotos: Breila Fuller)
Die Einweihung fand am 26. Oktober 1988 um 14:00 Uhr statt. 100 Einladungen wurden von der Stadt gedruckt und an Gäste wie Mitglieder des Sekretariats der Kreisleitung der SED, des Rates des Kreises und der Arbeitsgruppe Christliche Kreise verteilt. Außerdem wurde die Teilnahme von 300 FDJ-Mitgliedern gesichert. Die Einweihung umfasste Reden vom Bürgermeister der Stadt Arnstadt, Superintendenten Tittelbach-Helmrich, Vorsitzender des jüdischen Landesgemeinde Thüringen Raphael Scharf-Katz, und die Pflanze von zwei Bäumen durch FDJ-Mitglieder und Herrn Scharf-Katz.
Nachdem die originale Gedenktafel 2008 gestohlen worden war, wurde eine neue errichtet, die vermutlich von der Stadtverwaltung finanziert wurde. Die neue Tafel ist bis auf den Zusatz „Im Gedenken der Arnstädter Opfer der Shoah” gleich. Seit ihrer Errichtung wurde die Gedenktafel mehrfach beschädigt.
Seit 2007 beschäftigt sich der Regionalforscher Jörg Kaps mit der jüdischen Geschichte in Arnstadt und hat zu mehr als 160 Personen geforscht und Stolpersteine verlegt. Am 21. Mai 2007 fand die erste Verlegung statt, bei der Gunter Demnig, Künstler des Projekts, 15 Steine verlegte. Im September 2024 wird der vorerst letzte Stolperstein zum Gedenken an die Arnstädter jüdischen Opfer der Shoah verlegt.
Stolperstein für Paula Holz am Tag der Verlegung, 09. November 2023. Paula Holz wurde am 19. März 1889 geboren. Ihr Stolperstein trägt die Inschrift: „Gedemütigt / Entrechtet, Tot 22.3.1936." In Arnstadt wurden Stolpersteine nicht nur für ermordete Menschen verlegt, sondern für alle, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden.(Foto: Breila Fuller)
Quellen und Literatur
Guß, Martina und Andrea Kirchschlager: Jüdische Gewerbeansiedlungen in Arnstadt, in: Jüdische Familien aus Arnstadt und Plaue, Arnstadt 2021, S. 65-99.
Kaps, Jörg: Einführung zum Projekt der Arnstädter Stolpersteine, in: Jüdische Familien aus Arnstadt und Plaue, Arnstadt 2021, S. 177-207.
Kaps, Jörg: Stammtafel Kusel Hirsch, Arnstadt (undatiert).
Kirchschlager, Andrea: Die jüdischen Gemeinden von Arnstadt und Plaue, in: Beiträge zur Geschichte der Juden Schwarzburgs, Sondershausen 2006, S. 19-34.
Kirchschlager, Andrea: Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Arnstadt ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Jüdische Familien aus Arnstadt und Plaue, Arnstadt 2021, S. 48-54.
Kirchschlager, Andrea: Zur Geschichte der Arnstädter Synagoge 1913-1938, in: Jüdische Familien aus Arnstadt und Plaue, Arnstadt 2021, S. 55-64.
Tittelbach-Helmrich, Wolfgang: Arnstadts Jüdische Mitbürger, Arnstadt 1995.
Autorin: Breila Fuller
Dank: Jörg Kaps, Beauftragter für das jüdische Erbe der Stadt Arnstadt und politische Bildung.