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Die noch existierenden jüdischen Friedhöfe in Nordthüringen

Im Judentum hat der Friedhof viele Namen. Zu den bekanntesten gehören wohl „Haus der Ewigkeit“, „Haus des Lebens“ oder auch „Hof des Todes“. Sie signalisieren: Das Grab ist auf unbegrenzte Zeit vorgesehen. Der Friedhof muss die ewige Ruhe der darauf bestatteten Personen gewährleisten. Umbettung und Räumung sind nur ausnahmsweise zulässig. Daher wurden die steinernen Zeugnisse meist nicht verändert und bieten eine gute Quelle für die Forschung.


Da die Restaurierung von Grabmalen nicht unbegrenzt möglich und zudem auch sehr kostenintensiv ist, müssen innovative technische Verfahren zur Dokumentation und Informationsvisualisierung Anwendung finden. Dadurch sind auch neue Formate der kommunalen Erinnerungsarbeit möglich: Gedenkveranstaltungen zu verschiedenen Anlässen, durch die das Erinnern wachgehalten wird, gefördert durch die Verknüpfung wertvoller und historisch unersetzbarer Quellen und Erinnerungsorte mit partizipativen Formaten für eine interessierte Öffentlichkeit. Ohne derartige Informations- und Kommunikationsstrukturen folgt eine Verblassung des Erinnerns und schließlich das Vergessen. Die Umsetzung des Projektes „Digitalisierung der jüdischen Friedhöfe im Landkreis Nordhausen“ an der Hochschule Nordhausen wird von der Thüringer Staatskanzlei unter Einbindung eines dichten Kooperations- und Partnernetzwerks unterstützt.


Übersetzung der Info-Tafel in Russisch Übersetzung der Info-Tafel in Englisch

Kontakt

Projektleiterin

Dr. phil. Marie-Luis Zahradnik

marie-luis.zahradnik@hs-nordhausen.de

Digitale Dokumentation und virtuelle Kontextualisierung

Im Rahmen des Projekts soll die digitale Dokumentation und virtuelle Kontextualisierung der jüdischen Friedhöfe in Bleicherode, Ellrich und Nordhausen und ihrer einzelnen Grabmale in 3D sowie die geschichtliche Aufarbeitung erfolgen. Dazu werden zunächst die Geländesituation virtuell erfasst und mit Kontextinformationen zu den Grabmalen und Transkriptionen und Übersetzungen der Inschriften der Grabmale in Beziehung gesetzt.


Viele Grabmale, auf denen Namen noch lesbar sind, stammen aus einer Zeit, zu der die Juden bereits verbindliche Familiennamen hatten. In Folge der Niederlage Preußens gegen Napoleon gehörten u. a. Bleicherode, Ellrich und Nordhausen zum Harz-Department des neu gebildeten Königreichs Westphalen (1807 bis 1813/14), in dem Juden 1808 Zunamen annahmen mussten. Zuvor waren Familiennamen bei den Juden nicht verbreitet, sondern dem Namen, den ein Kind bekam, wurde zur Unterscheidung der Name des Vaters oder des Wohnortes hinzugefügt. Viele Grabmale auf den Friedhof zeugen von Namen, die auf mehrere Generationen von Familien zurückgehen.


Die Eulogien sind besonders auf den Grabmalen aus der Anfangszeit der Friedhöfe mehrheitlich in hebräischer Sprache vorhanden und kunstvoll poetisch und religiös formuliert. Die Interpretation der religiösen Anspielungen von Worten und Wortgruppen aus der Heiligen Schrift des Judentums setzt ein tiefgründiges Wissen der jüdischen Theologie voraus.

Inschrift Jente mit deutscher Übersetzung

‏[...יר]את ד׳ והגונה‏‎

‎‏פה‏‎

‎‏נטמנת אשת חיל‏‎

‎‏מעשיה היתה נעימה‏‎

‎‏כל ימיה הלכה בדרך‏‎

‎‏ישרה ה״ה האשה חשובה‏‎

‎‏יענטה אשת כ׳ איצק‏‎

‎‏הלכה לעולמה בי׳ ב׳ ו׳ כסליו‏‎

‎‏תקמ״ז לפ״ק הביאה חיים על ל״ט‏‎

‎‏שנים גופה יישן ארצה‏‎

‎‏ונשמתה לגן עדן נרצה‏‎

‎‏תנצב״ה‏‎

[...] den Ewigen ehrfürchtend und würdig

Hier

ist geborgen ›die tüchtige Gattin‹,

ihre Taten war sie anmutsvoll,

all ihre Tage ›ging sie auf rechtem

Weg‹, es ist die angesehene Frau,

Jente, Gattin des geehrten Izek,

›sie ging hin in ihre Welt‹ am Tag 2, 6. Kislev

547 der kleinen Zählung. Sie errichte ein Alter von 39

Jahren. Ihr Leib schlafe in der Erde

und ihre Seele ist im Garten Eden willkommen.

Ihre Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens

(Übersetzung: Nathanja Hüttenmeister – Steinheim-Institut, Essen, 2021)

Jüdischer Friedhof Nordhausen

Der unter Denkmalschutz stehende jüdische Friedhof in Nordhausen ist mit einer Fläche von ca. 50 Ar, 477 Grabstellen, darunter 354 mit einem Grabstein, fünf mit einer Metalltafel und einer mit einer Glastafel der größte und der jüngste der erhalten gebliebenen Friedhöfe im Landkreis Nordhausen. Ein Grabdenkmal für die 12 im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus der Gemeinde wurde im September 1921 eingeweiht. Es bezeugt die Bedeutung, Loyalität und Anpassung der jüdischen Gemeinde an die Lebenswelt im damaligen Deutschland.


Die jüdische Synagogengemeinde wurde um 1808 neu gegründet, seit sich nach der Einführung des „Code Napoleon“ im von Napoleon Bonaparte 1807 neu gegründeten Königreich Westphalen Juden in Nordhausen niederlassen duften. Die wachsende Zahl ihrer Mitglieder und deren wirtschaftlicher Erfolg machten es möglich, Boden auf dem „Töpferfelde“ für einen Friedhof zu erwerben. Der bis dahin genutzte, ältere jüdische Friedhof lag außerhalb der Stadt und ist heute nur durch die Namen der umgebenden Straßen und Gebäude zu erahnen. Die Einweihung des neuen Friedhofs fand am 1. September 1828 statt. Die Anlage wurde in den Jahren 1854 und 1865 durch den weiteren Kauf von Land vergrößert. Das ältere Areal war durch einen Eingang im Osten zu erreichen. Heute befindet sich dort der Urnenhain. Der erste Eingang wich dem neuen eisernen Toreingang mit dem Magen David, dem Davidstern im Westen. Dieser besteht bis heute und wurde im Spätsommer 2019 saniert. Zwei Jahre nach dem letzten Grundstückskauf wurde 1867 ein Leichenhaus, dem 1900/01 der Bau einer Leichenhalle folgte. Sie wurde durch die Bombeneinwirkungen 1945 stark beschädigt, sodass sie 1960 abgerissen wurde. Die Treppenstufen der Leichenhalle sind heute noch vorhanden. Im August 1928 wurde der Friedhof mit einem Urnenhain für die Anhänger der Feuerbestattung erweitert, der eine moderne Alternative und Bruch mit der traditionellen Bestattungskultur darstellte.


Die älteren Grabstellen auf dem jüdischen Friedhof in Nordhausen sind traditionell als Einzelstellen in Reihen chronologisch angelegt. Doch bereits ab den 1870er Jahren wurden zunehmend Doppelgräber oder für Ehepaare nebeneinander angelegte Einzelgräber üblich. 21 verstorbene Kinder wurden in einem Kinderfeld beigesetzt.


Der jüdische Friedhof in Nordhausen weist nicht nur die meisten noch erhaltenen Bauten und Grabmale auf, sondern auch mehr Symbole aus dem Judentum wie die segnenden Hände, die Levitenkanne, ein aufgeschlagenes Buch, die abgebrochene Säule und der Baumstamm sind zu finden.


Erstbestattung: 1828
Letzte Bestattung: 1980
Anzahl der Grabstellen: 477, erhaltene Grabsteine: 359
Größe der Anlage: 5.000 m²

Stempel Goldschmidt

Stempel Goldschmidt (von hinten)

Objekt mit lokalgeschichtlicher Bezugnahme

Das Petschaft des jüdischen „Commissionairs“ und „Waarenmaklers“ Isaak Joseph Goldschmidt

Mit dem Namen auf dem Petschaft begann die Recherche nach Herkunft und geschichtlichem Hintergrund, in der Hoffnung mit den Ergebnissen die Lücke in der Forschung über die Geschichte der Juden in Nordhausen im 19. Jahrhundert wieder ein Stück weiter zu schließen.

Das Petschaft gehörte Isaak Joseph Goldschmidt, der in den zur Verfügung stehenden Quellen erstmals im „Nordhäusisches wöchentliches Nachrichts=Blatt“ im Jahr 1845, im Adressbuch der Stadt Nordhausen des Jahres 1846 und in der Seelenliste der jüdischen Gemeinde aus dem Jahr 1847 zu finden ist. Laut Seelenliste war er mit Julie, geb. Baer, verheiratet. Aus der Ehe gingen zunächst drei Kinder hervor: Joseph (3 Jahre), Israel (2 Jahre) und Jeannette (1/2 Jahr). Laut Eintrag im Geburtenregister folgten im Jahr 1852 noch eine weitere Tochter, Caroline, und im Jahr 1854 der Sohn Jacob.

Isaak Joseph Goldschmidt war als Kommissionär und Warenmakler in Nordhausen tätig. Mit welchen Waren er genau handelte, lässt der detaillierte Eintrag im Adressbuch der Stadt Nordhausen aus dem Jahr 1865 erkennen. Er war demnach Kaufmann und betrieb eine Leder-, Rohprodukte-, Lumpen-, Knochen- und Haarhandlung. Auch als Kommissionär und Auktionskommissar, als Agent der Assurantie-Compagnie in Amsterdam, sowie als Agent der Frankfurter Feuer-, Lebens- und Transport-Versicherungsgesellschaft „Providentia“ in Frankfurt a. M. und der Lebensversicherungs- und Ersparnisbank in Stuttgart bestritt er seinen Lebensunterhalt. Die Firma „J. J. Goldschmidt“ war zunächst in der Bäckerstraße 461, dann in der Engelsburg 433 und zuletzt in der Pfaffengasse 512 niedergelassen.

Goldschmidt organisierte nicht nur Auktionen für eigene Waren, sondern wurde auch im Auftrag tätig: So zeigen die hier abgedruckten Anzeigen aus dem Jahr 1845, dass er z. B. für Carl Bötticher verschiedene Textilien versteigerte, sich für den Kaufmann H. L. Beushausen um den Verkauf eines Wohnhauses kümmerte und für in der Anzeige nicht genannte Auftraggeber Mieter suchte.

Der Kaufmann Goldschmidt war in einem für Angehörige jüdischen Glaubens typischen Bereich tätig. Er lebte in einem Jahrhundert mit vielen Umbrüchen und Neuerungen, wie die gesellschaftliche und rechtliche Emanzipation der Juden und ihre Integration in den zuvor Christen obliegenden Berufsfeldern. Durch die Bildung von berufsorientierten Vereinen, etwa dem „zur Beförderung des Ackerbaues, der Handwerke, Künste, Lehrer- und wissenschaftlichen Bildung unter den Juden in der Provinz Sachsen“  unterstützten sie diese Entwicklung. Besonders zielte dies auf ärmere Juden ab, die im Handwerk und in der landwirtschaftlichen Arbeit ihr Einkommen finden sollten. Jedoch blieb die Mehrheit der Juden in Folge einer lang gelebten Tradition, wegen bestehenden Geschäftskontakten und aus Sicherheits- und Identifikationsgefühl im Handel und im Geldgeschäft. Besonders der Agrar- und der Handwerkssektor waren in Folge der Auswirkungen der „industriellen Revolution“ krisengeschüttelt und daher keine sicheren Tätigkeitsbereiche.

Im Adressbuch des Jahres 1874 ist Isaak Joseph Goldschmidt zum letzten Mal unter den 19 Kommissionären gelistet, von denen zwei weitere der jüdischen Gemeinde in Nordhausen angehörten: Seligmann Schlesinger und Hermann Schottländer.

Suizid – Das Schicksal von Caroline Goldschmidt

Zwei Jahre nach dem Tod des Vaters erlitt die Familie ein weiteres Schicksal: In der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1876 nahm sich die jüngste Tochter Caroline Goldschmidt das Leben. Aus der Eintragung über einen „Selbstmord“ im Sterberegister der jüdischen Gemeinde in Nordhausen geht hervor, dass sich die Tochter Goldschmidts aus „Schwermuth“ ertränkte.

Über die Ursachen für Caroline Goldschmidts Schwermut konnte nichts herausgefunden werden. Nicht unwahrschein­lich ist, dass der Verlust ihres Vaters ihren Gemütszustand beeinflusst hat. Vermutlich wird sie damit auch eine sichere Existenzgrundlage verloren und an gesellschaftlicher Stellung eingebüßt haben. Zu dieser Zeit war es noch unüblich, als junge Frau und zudem ledig selbst einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Erwerbsmöglichkeiten wie als Magd, Dienst- oder Kindermädchen waren Alternativen. Ob diese ihrer bisherigen Stellung in der Gesellschaft entsprochen haben, ist fraglich. Die Angabe im Sterberegister, dass Caroline Goldschmidt ihren Tod durch Ertränken herbeiführte, bedarf ebenfalls der näheren Erörterung. Der Wassertod ist wohl eine der emotional besetzten Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen. Oft als „Armentod“ bezeichnet, gingen zu allen Zeiten Menschen aus der Not heraus ins Wasser, da Gift u. ä. für sie unerschwinglich war und daher oft der zugleich grausamste Tod durch Ersticken gewählt wurde. Darüber hinaus leitet sich bei der Wahl des Wassertods auch das Motiv der Liebe bzw. des Liebeskummers, wie es in der Lyrik dargestellt wird, als ein Grund für eben diese Methode ab. Zudem ist Ertrinken in der abendländischen Kulturgeschichte ein eher weiblich konnotierter Tod.

Auf dem jüdischen Friedhof in Nordhausen findet man das Grab von Caroline Goldschmidt. Die noch lesbaren hebräischen Buchstaben der im schlechten Zustand befindlichen Inschrift zeigen die traditionell übliche Einleitungsformel wie etwa „Hier ist verborgen/begraben. Darüber hinaus wird im hebräischen Text Caroline Goldschmidt als „Jungfrau“ beschrieben. Dies gibt den Hinweis, dass sie in keiner ehelichen Verbindung stand. Es war üblich, dass die unverheirateten Töchter keinen eigenen Haushalt unterhielten, sondern bis zur Heirat im Haus der Eltern lebten. Ob zur Bestattung von Caroline Goldschmidt die Riten nach jüdischem Brauch vollzogen wurden, ist ungewiss.

Messing-Siegel aus Nordhausen

Objekt mit lokalgeschichtlicher Bezugnahme

Das Pessach-Siegel des Schächters, Kantors und Lehrers Nathan Havelland

Das Messing-Siegel ist ein Geschichtsträger, dessen Fund bereits an einen geschichtlichen Ort mit lokalem Bezug zu Nordhausen hat. Sehr wahrscheinlich stammt das Siegel aus dem Ende des 18. Jhd. bis in die erste Hälfte des 19. Jhd. und wurde genutzt, um die kascherisierten Gegenstände und Lebensmittel für Pessach als koscher zu zeichnen. Die eingearbeitete Öse am Messinggriff legt nahe, dass der Stempel genutzt und mitgetragen wurde wie an Ketten oder Bändern, um den Hals oder am Gürtel.

Übersetzung der hebräischen Inschrift:

 

(Koscher für) Pessach

(bestätigt/geprüft) durch

Nathan HaFel-Land (abgekürzter Beiname)

Der übersetzte Beiname „Nathan HP"L“ gibt einen Hinweis auf den Besitzer Nathan (Philipp) Havelland. Es ist sehr gut möglich, dass Nathan Havelland das Siegel an einem Band bei sich trug, um damit eine rituelle Handlung zum Pessach auszuführen, die ihm als Schächter oblag.

Den genauen Zeitpunkt, wann Nathan Havelland nach Nordhausen kam und die Ämter des Kantors, Schächters und Lehrers bekleidete, ist nicht bekannt. Jedoch können aus den Quellen über die Geburten seiner Kinder und u. a. auch aus den Angaben in den Adressbüchern von Nordhausen annähernd ein Zeitraum bestimmt werden. Während die ersten vier Kinder in Brandenburg und Harzgerode zur Welt kamen, wurde seine Tochter Ernestine um 1818 dann in Nordhausen, ihr folgten nach zwei Brüder. Die erste Geburt in Nordhausen lässt die Annahme zu, dass Nathan Havelland spätestens um 1817 nach Nordhausen kam. In Personalunion als Kantor und Schächter der jüdischen Gemeinde amtierte er zwischen 1820 bis 1822 und 1832 bis 1854 und verstarb 1856.

Jüdischer Friedhof in Bleicherode

Der unter Denkmalschutz stehende jüdische Friedhof in Bleicherode ist der älteste noch erhaltene Begräbnisplatz im Landkreis Nordhausen. Neben der „Alten Kanzlei“ in der Hauptstraße 131, in der sich bis zur Errichtung der Synagoge im Jahr 1880/82 der Betsaal und die Schule befanden, und einigen repräsentativen Gebäuden ehemaliger Fabrikanten aus der jüdischen Gemeinde, gehört der Friedhof zu den wichtigsten Zeugnissen der großen jüdischen Vergangenheit in Bleicherode. Die 155 Mitglieder umfassende jüdische Gemeinde erwarb das Friedhofsgelände im Jahr 1728. Das insgesamt ca. 64 Ar große Areal liegt am Nordhang des „Vogelberges“ und reicht bis zur Schustergasse hinab. Der Friedhof wurde im Süden beginnend hangabwärts angelegt und füllt mit etwa 227 Grabstellen auf 12 terrassenförmigen Ebenen die oberen ca. 33 Ar des Areals aus.


Die 194 erhaltenen Grabsteine und vier Metalltafeln zeigen mit ihrer Vorderseite in Richtung Norden. Damit unterscheidet sich der Friedhof von anderen jüdischen Friedhöfen. Zwar nicht verbindlich, aber doch üblich geworden ist eine Ausrichtung der Gräber nach Osten. Auf manchen alten Friedhöfen sind sie jedoch zum Ausgang hin ausgerichtet. Männliche und weibliche Verstorbene wurden in gemischten Reihen zusammen beigesetzt. Bei den älteren Gräbern in den ersten elf Reihen im Süden, wurden die Grabstätten in Form von Einzelgräbern chronologisch angelegt. Bei verstorbenen Ehepaaren wurde oft eine identische Grabsteingestaltung als Zeichen der familiären Zugehörigkeit gewählt. Ab der zwölften Reihe, angelegt ab den 1890er Jahren, kommen vermehrt Doppelgräber der Familien vor. Eine Urnenbeisetzung von 1908 weicht von der jüdischen Bestattungskultur ab. Symbole aus dem Judentum wie ein aufgeschlagenes Buch, eine abgebrochene Säule und das Herz sind zu finden. Aber auch nicht typisch jüdische Symbole wie ein Schmetterling und florale Verzierungen sind sichtbar. Am noch existierenden Eingang in der Schustergasse befand sich ein um 1866 errichteter Schuppen für den Leichenwagen, dessen Bodenplatte und Reste des Felssteinsockels noch zu sehen sind. Ebenso befindet sich dort ein mit Backsteinen eingefasster Brunnen.


Der Friedhof ist in einem guten Zustand und kann nach Absprache gemäß jüdischer Bekleidungsvorschrift betreten werden.


Erstbestattung: vermutlich 1660, 1728 Kauf des Platzes durch die jüdische Gemeinde
Letzte Bestattung: 1938
Anzahl der Grabstellen: 227, erhaltene Grabsteine: 194
Größe der Anlage: 3.300 m²


 

Der jüdische Friedhof in Ellrich

Bereits im Jahr 1320 wird nachweislich über Juden in Ellrich berichtet. Die kontinuierliche Präsenz jüdischen Lebens im Ort wurde allerdings auch hier durch zeitweise Vertreibungen unterbrochen.


Der erste jüdische Friedhof aus der Zeit des 14. und des 16. Jahrhunderts lag vor dem Wernarer Tor und wurde bis ca. 1750 als Begräbnisort genutzt, wurde dann aber zu klein und ist spurlos verschwunden. Die nach dem 30-jährigen Krieg ständig wachsende jüdische Gemeinde in Ellrich brauchte neben der Synagoge für die Lebenden nun auch einen größeren Ort für ihre Verstorbenen.


Im Jahr 1782 erwarb die jüdische Gemeinde an der Töpferstraße nahe der Jüdenstraße ein Grundstück, um einen neuen Friedhof darauf zu errichten. Für 1787 wird berichtet, dass in Ellrich 114 Juden lebten, im Jahr 1840, dem Höchststand jüdischer Seelen im Ort, waren es 146.


Vom heutigen Eingang des Friedhofs führt eine mit Bäumen bestandene Allee in S-Form zum anderen Ende des Areals. Von den 76 noch vorhandenen Grabstellen besitzen 64 einen Grabstein. Die älteren Gräber nördlich des Eingangs sind in nach Geschlecht getrennten Reihen angelegt, wie es häufig auf alten jüdischen Friedhöfen Tradition gewesen ist. So sind die Frauen in den ersten neun noch sichtbaren Reihen bestattet worden, dann folgten die Reihen der männlichen Verstorbenen. Rund 42 % der Grabsteine, auf denen die Namen noch lesbar sind, gehören Frauen. Familiengräber sind auf dem Friedhof nicht zu finden. In der Gestaltung und dem Material identische Grabsteine lassen vermuten, dass es familiäre Verbindungen geben könnte. Nach 1877 nahm die traditionelle Form der getrennten Bestattung ab, es wurden Reihen mit Verstorbenen beiderlei Geschlechts angelegt. Symbole wie die Sanduhr, der sich selbst in den Schwanz beißenden Schlange als Symbol der Ewigkeit (Ouroboros), der Schild (Magen) David in Form eines sechseckigen Sternes, der Schmetterling und florale Verzierungen sind zu beobachten.


Südlich des Eingangs finden sich zwei kleine, eng beieinander liegende und umrandete Gräber ohne Grabstein. Möglicherweise sind sie in dem Bereich, der für die Bestattung von Kindern vorgesehen war. Die Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Ellrich weisen eine lange Verwendung der traditionellen Schreibweise von hebräischen Segenssprüchen (Eulogien) auf der Vorderseite des Grabsteins auf, die sich auch auf den wenigen Grabmalen aus der Zeit nach der Jahrhundertwende in deutscher Sprache finden lassen.


Erstbestattung: vermutlich 1823
Letzte Bestattung: 1928
Anzahl der Grabstellen: 75, erhaltene Grabsteine: 64
Größe der Anlage: 2.400 m²

Synagoge – Ein verschwundener Ort jüdischen Lebens in Ellrich

Innenraum der Synagoge mit Sicht auf die Frauenempore, 1938. (Foto: Privatsammlung v. Martina Zimmer aus dem Nachlass von Helmut Drechsler)

Schon im Mittelalter lebten in Ellrich in der Grafschaft Hohenstein Juden. Durch Quellen ist belegt, dass die in der Grafschaft ansässigen Juden 1580 ausgewiesen wurden, spätestens seit 1619 aber wieder welche in Ellrich wohnten und ihren Lebensunterhalt traditionell mit Handel, Gewerbe und Geldgeschäften bestritten. Die Juden wohnten in der Straße „Zwischen den Toren“, am Werder und in der sog. Nicolai-Vorstadt, also im Westen der Stadt.


Die steigende Zahl der Mitglieder erforderte und die mit ihr wachsende Finanzkraft ermöglichte um 1730 die Errichtung eines Synagoge und 1782 den Kauf eines Grundstücks für einen neuen Friedhof in der Töpferstraße.


Typisch für Landsynagogen im 18. Jahrhundert war nicht nur der Baustil im Fachwerk, sondern auch, dass es sich um eine Hinterhaussynagoge handelte, die sich hinter einem Wohnhaus mit Hof befand. Vermutlich war die Synagoge ursprünglich eine Scheune oder ein Speicher, der zur sakralen Nutzung umgebaut wurde, wie es zu dieser Zeit in den jüdischen Gemeinden nicht unüblich war.


Berichte über den baulichen Stil der Synagoge beschreiben diese wie folgt:

  • Über dem Eingang stand in Hebräisch die Zahl 1730. Es ist das Jahr, in dem das Gebäude als Synagoge eingeweiht wurde.
  • Durch eine doppelflügelige Rundbogentür im Barockstil ging eine Treppenstufe hinab in die Synagoge, die aus einem ausgemauerten Holzfachwerk bestand und eine flache Tonnendecke aus Brettern hatte.
  • Während die Decke über der Frauenempore waagerecht verlief, hatte der Synagogenraum (Männerraum) eine flache Tonnendecke aus Brettern mit seitlicher Hohlkehle, sodass die Decke wie eine Gewölbe wirkte.
  • Die Synagoge war recht klein, denn der Männerraum war lediglich 8 m x 6,7 m groß und die Raumhöhe betrug 4,5 m. Am Betraum war ein 3 m x 6,5 m großer Vorraum angesetzt und darüber befand sich die Frauenempore.
  • Im Keller des Querflügels zur Synagoge befand sich ein Frauenbad, das bereits um 1937 aber verschüttet war.
  • Die malerische Gestaltung des Innenraums beschränkte sich auf die Säulen der Empore, auf Rankenverzierungen an den Fenstern und auf zwei Löwen über den Fenstern an der Wand des Toraschreins sowie zwei Löwen an einer Tafel mit einer Krone verziert über dem Schrein hängend. Umso mehr fällt der Schriftschmuck in Form von Versen in Hebräisch auf.
  • Die Decke und das Ziegeldach müssen um 1927 renoviert worden sein.

Besonders in den Gemeinde-Etats nach 1900 werden die Lücken und damit die fehlenden Einnahmen zur Erhaltung der jüdischen Kultur sichtbar. In der „Nachweisung der Synagogengemeinde mit Rabbinern im Regierungsbezirk Erfurt“ von 1926 wird für Ellrich vermerkt: „Gottesdienst findet seit 1909 hier nicht mehr statt. Ebenso entfällt auch seit dieser Zeit jede seelsorgerische Tätigkeit. Lediglich Beerdigungen ist der Rabbiner von Nordhausen hier zu gezogen worden.“


Durch die antisemitischen Agitationen des Nationalsozialismus gegen die jüdischen Einwohner und jüdischen Orte war auch das jüdische Leben in Ellrich erloschen. Der geschichtsinteressierte Ellricher Helmut Drechsler rekonstruierte die Situation um 1938 mit Hilfe von Zeitzeugen. Die nun schon sehr alte und marode Landsynagoge fiel der Pogromnacht 1938 zum Opfer. Die Synagoge wurde aufgebrochen, geplündert und in Brand gesetzt, dies geschah unter Protest von Anwohnern, die Angst vor einem Übergreifen des Feuers auf ihre nahestehenden Häuser hatten. Mit dem Löschen des Feuers wurde die schwer beschädigte Synagoge eingerissen. 


Gegenwärtig existiert nur noch der jüdische Friedhof als letztes Zeugnis des einstigen jüdischen Lebens in Ellrich. 


Mehr Informationen können im dazugehörigen Aufsatz „Zeugnisse jüdischen Lebens in Ellrich am Harz“ in der Digitalen Bibliothek Thüringen von Dr. Marie-Luis Zahradnik nachgelesen werden: https://www.db-thueringen.de/receive/dbt_mods_00058352.

Der jüdische Friedhof in Immenrode (bei Sondershausen)

Immenrode gehörte wie Sondershausen auch zum Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt, zum unterherrschaftlichen Amt Straußberg, das die „Judenregale“ innehatte und damit die Ansiedlung von Juden unter bestimmten Bedingungen gestattete. Mit der kontinuierlichen Zuwanderung ab den 1720er Jahren, begann die jüdische Gemeinde stetig zu wachsen, sodass sich religiöse Orte wohl in einem für Juden begrenzten Wohn- und Lebensbereich in Immenrode wie zunächst eine Räumlichkeit für die Feier des Gottesdienstes, der später eine Synagoge sowie ein Ritualbad folgten, herausentwickelten.


Ein weiterer Ort der Gemeinde war der Friedhof für ihre verstorbenen Mitglieder. Der an einer alten Handelsstraße von Sondershausen nach Nordhausen, am Müllersberg, gelegene jüdische Friedhof muss schon um 1727/28 angelegt worden sein, der auf die Zuweisung eines „Gottesacker“ nach der Anordnung des Fürsten zurück ging. Im Sterberegister der Gemeinde wird als Ort der „Juden-Gottesacker“ im „Wangenthale“ angegeben und es gibt nur einen Eintrag mit „Müllersberg“ dazu. Vermutlich war der Begriff „Wangenthal“ zur Verortung des Begräbnisplatzes zwischen 1831 und 1924 einfach geläufiger.


Im Rahmen der vom Schlossmuseum Sondershausen in Auftrag gegebenen Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Sondershausen durch das Salomon-Ludwig-Steinheim-Institut wurde 2006 auch die Begräbnisstätte in Immenrode untersucht. 2012 wurden Grabsteine gereinigt und wieder aufgestellt und nochmals dokumentiert. Nach über 10 Jahren der Restaurierung zeigen die Grabsteine starke Spuren der Verwitterung.


Die Dokumentation des Friedhofs durch das Projekt zur Digitalisierung der jüdischen Friedhöfe in Nordthüringen an der Hochschule Nordhausen führte im Jahr 2023 zu folgenden Feststellungen:


Rund 40 Einzelgrabstellen sind auf dem Friedhofsgelände zu erkennen, wobei im älteren Areal aus dem Boden ragende und in die Flucht passende Steinfragmente, zumeist aus Felsstein und Sandstein, Grabstellen vermuten lassen. Eindeutig zu identifizieren sind 23 Grabstellen, auf denen zumeist eine Grabumrandung, Sockel und Grabstein noch existieren. Soweit noch erkennbar, wurden die Grabsteine zumeist aus einem Hartgestein wie Sandstein und Muschelkalk gefertigt. Die Gräber wurden in Reihen chronologisch angelegt. Verstorbene Kinder wurden in den Reihen der verstorbenen Erwachsenen beisetzt. Weibliche und männliche Verstorbene wurden nicht in Reihen separiert bestattet. Soweit es die verwitterten Grabinschriften noch erkennen lassen, können die Gräber elf männlichen und fünf weiblichen Verstorbenen zugeordnet werden.


Die noch erhaltenen Grabmale gehen zurück in das 18. und 19. Jahrhundert. Der älteste Grabstein mit noch zu lesender Inschrift ist auf das Jahr 1862 zu datieren: Beigesetzt ist Chajim ben David (Selig David), verstorben am 30.06.1862. Und der jüngste Grabstein stammt aus dem Jahr 1890: Beigesetzt ist Chajim ben Jehuda ben Gerschon (Selig Peiser), verstorben am 04.10.1890. Die ab 1831 geführten Sterbelisten weisen auf die wohl letzte Beisetzung im „Wangenthale“ im Jahr 1924 hin.


Soweit noch entzifferbar, tragen die Texttafeln zumeist eine hebräische und eine deutsche Inschrift. Rund 14 mal ist die deutsche Inschrift auf dem Grabstein nach Osten und die hebräische Inschrift nach Westen ausgerichtet. Drei Grabinschriften sind nur in Hebräisch und ein Grabstein nur in deutscher Inschrift verfasst, jeweils in östliche Richtung zeigend. Bei keinem Grabmal ist eine Inschrift mit einer Mischform von Hebräisch und Deutsch auf einer Textseite zu finden. 


Erstbestattung: vermutlich 1831 (lt. Sterberegister), 1862 lt. Grabsteininschrift
Letzte Bestattung: vermutlich 1924 (lt. Sterberegister), 1890 lt. Grabsteininschrift
Anzahl der Grabstellen: ca. 40, davon 23 als Einzelgrabstellen identifizierbar
Größe der Anlage: rund 2.206 m² 

Der jüdische Friedhof in Bad Frankenhausen

Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts gab es jüdisches Leben in Frankenhausen. Mit dem spätmittelalterlichen Pestpogrom wurden Juden verfolgt. Es hielten sich nur vereinzelt Juden in der Stadt auf. Im Jahr 1556 ist jüdisches Leben im schwarzburgisch regierten Frankenhausen wieder belegt. Die durch religiöse Reformen erschütterte Frühe Neuzeit barg auch ein ausgrenzendes Verhalten gegenüber Juden in sich, das auch in der erschwerten Niederlassung von Juden zum Ausdruck kam. Im ausgehenden 18. und besonders ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das jüdische Leben dann zu einem festen Bestandteil in Frankenhausen. Es zeigte sich in Handel und Gewerbe, im politisch Aktivsein einzelner Gemeindemitglieder, aber auch in herausgebildeten religiösen Orten wie eines Betsaals und einer Begräbnisstätte.


Um 1852 erwarb die Gemeinde unter landesherrlicher Erlaubnis ein Areal im Napptal, um dort ihre Verstorbenen zu bestatten. Die erste Beisetzung muss um 1857 stattgefunden haben. Dabei handelte es sich um eine Bestattung eines Kindes, namens David Wahl. Auch Verstorbene aus den umliegenden jüdischen Gemeinden in Artern und Oldisleben wurden auf dem Friedhof beigesetzt.


In der Vergangenheit gab es immer wieder Vandalismus auf dem Friedhof. Im Januar 1884 fiel der Friedhof zum ersten Mal Schändungen zum Opfer. Die jüdische Gemeinde bezweifelte, dass die Motivation zur Tat aus dem städtischen christlichen Umfeld kam. In der NS-Zeit wurde die Begräbnisstätte teilweise zerstört und wurde in den Jahren 1954 und 1979 erneut ein Opfer von Schändungen. Während für die 1954 begangene Schändung kein Täter gefunden werden konnte, wurde der Täter für die Schändung im Jahr 1979 ermittelt. In den 1950er Jahren, sehr wahrscheinlich nach dem letzten Vandalismus, wurde der Friedhof zurück gebaut, wie es heute das Bild des Friedhofs wiedergibt. Zudem wurde um 1970 ein Gedenkstein gesetzt. Dieser trägt die Inschrift: 
יזכור
Zum Gedenken derer,
die hier in Frieden ruhen.


Ein Davidstern über der Inschrift verweist auf die religiöse Herkunft der hier Begrabenen. Das eingravierte hebräische Wort „Jiskor“ bedeutet auf Deutsch so viel wie Erinnerung bzw. „gedenke!“, es mahnt die Verstorbenen, nicht zu vergessen.


Die Dokumentation des Friedhofs durch das Projekt zur Digitalisierung der jüdischen Friedhöfe in Nordthüringen an der Hochschule Nordhausen führte im Jahr 2023 zu folgenden Feststellungen:


Neben einem Denkmal sind auf dem Friedhof 27 Grabstellen, davon 21 mit einer Grabumrandung aus einem Hartgestein angefertigt. Auf drei Einzelgrabstellen befinden sich Sockel, darunter einer nur noch als zerbrochenes Steinfragment. Fünf der 27 Grabmale sind kleinere Gräber, die Grabstätten von Kindern vermuten lassen. Bis auf ein breites Kindergrab wurden alle Gräber als Einzelgrabstelle angelegt. Mit der Annahme, dass es sich um Gräber für verstorbene Kinder handelt, wurden diese nicht, wie meist üblich, in einem separaten Bereich oder in einer gesonderten Reihe beigesetzt, sondern die Kindergräber befinden sich inmitten der Reihen für die erwachsenen Verstorbenen. Die Anlegung lässt die Annahme zu, dass eher chronologisch belegt wurde und nicht nach Bereichen, was auch die kleine Fläche des Friedhofs wohl kaum zugelassen hätte.


Erstbestattung: 1857
Anzahl der Grabstellen: 27, 1 Denkmal
Größe der Anlage: rund 525 m²

Der jüdische Friedhof in Mühlhausen

Bereits im Jahr 1278 wird nachweislich über Juden in Mühlhausen berichtet. Die kontinuierliche Präsenz jüdischen Lebens im Ort wurde allerdings auch hier durch zeitweise Vertreibungen in Folge des Judenpogroms 1349 unterbrochen. Mit der Ansiedlung von Juden wurden religiöse Orte jüdischen Lebens in der Stadt errichtet, so auch ein Friedhof für die Verstorbenen der Gemeinde. Der erste Friedhof befand sich vor der Stadtmauer vor dem Burgtor. Lagepläne vom Friedhof befinden sich im Stadtarchiv Mühlhausen und sind ebenso in Aufsätzen publiziert worden. Trotz Landzukaufs wurde die Belegung auf dem begrenzten Areal zunehmend schwieriger. Hinzu kam, dass die Stadt die angrenzende Straße verbreitern wollte.


Mit einem Tauschvertag im Jahr 1872 erhielt die jüdische Gemeinde im Gegenzug zum alten Friedhof rund 1.773 m² Land an der heutigen Heinrich-Pfeiffer-Straße/Eisenacher-Straße. Der angelegte und heute noch existierende jüdische Friedhof befindet sich im idyllischen Park in Mühlhausen gelegen. Im Einvernehmen zwischen Stadt und jüdischer Gemeinde wurde der alte Friedhof abgetragen. Zur Erinnerung an den alten Friedhof wurden Fotografien um 1900 angefertigt, die u. a. in themenbezogenen Publikationen verwendet wurden. Bei der Abtragung des alten Friedhofs wurden einige Grabsteine auf das neue Friedhofsareal umgesetzt. Deren Inschriften sind nicht mehr entzifferbar. Der Friedhof erhielt mehrmals neue Einfriedungen. Einst soll eine Mauer den Friedhof geschützt haben. Eine Zeit lang blieb der Friedhof wohl auch ohne Einfriedung, bis Schändungen in den 1978er Jahren eine neue Einfriedung nach sich zogen. In den 1983er Jahren wurde ein Maschendrahtzaun gezogen. In den 1990er Jahren folgte dann eine hochwertige Einfriedung aus Stahl, wie sie heute noch besteht.


Unter den rund 153 Grabsteinen sind einige verziert mit bebänderten Rosen- und Blätterkränzen und mit Palmenwedel sowie mit Frauenfiguren und Amphoren. Jüdische Symbole wie das Namenssymbol in Form des Davidsterns kommen zweimal vor. Einmal ist die Levitenkanne und zwei Mal sind die segnenden Hände eingraviert. Zweimal ist die abgebrochene Säule als Symbol für den frühen Tod zu finden. Neben vielen Grabsteinen mit spitzen, runden und flachen Giebeln sind Grabsteine in Form von hohen Obelisken, Stelen und Findlingen für die Grabsteingestaltung gewählt worden. Sieben große Grabmalbauten stehen auf den Familiengräbern, die tlw. von beiden Seiten (Vorder- und Rückseite) belegt worden sind. Während die älteren Grabsteine, soweit noch erkennbar, aus Sandstein- und Muschelkalkstein gearbeitet sind, wurden für die jüngeren Beisetzungen mehr hochwertigere Materialien verwendet wie Marmor, oft als eingefügte Texttafel, oder auch Granit. Auch Grabplatten und Pulte zieren die Gräber. Die moderne Gestaltung ist nicht nur in der Wahl des Steinmaterials und der Sparsamkeit von Ornamenten zu sehen, sondern auch in der Anlegung von Grabstellen. Ab den 1875er Jahren wurden auch Doppel- und Familiengrabstellen errichtet, statt traditionell Einzelgrabstellen wie es dem jüdischen Brauchtum entspricht. Soweit identifizierbar, sind in rund fünf kleinen Einzelgrabstellen verstorbene Kinder beigesetzt. Sie wurden in einer Reihe separat beigesetzt. Ebenso ist ein Doppelgrab für zwei Kinder unter den Gräbern der Erwachsenen zu finden.


Soweit recherchierbar, blieb der Friedhof von Schändungen im Nationalsozialismus verschont, jedoch wurde er ab den 1960er Jahren immer wieder Opfer von Schändungen und Vandalismus. Grabsteine wurden umgeworfen oder auch Texttafeln zerschlagen. Daher sind viele zusammengesetzte Grabsteine mit Rückständen von Klebemörtel an den wieder zusammengefügten Bruchstellen und ebenso mit zerschlagenen oder gar fehlenden Texttafeln zu sehen.


Der Friedhof steht unter Denkmalschutz.



Erste Bestattung: 1872
Letzte Bestattung: vermutlich 1950
Anzahl der Grabstellen: ca. 167, davon 153 mit Grabstein
Größe der Anlage: rund 1.773 m²

Der nicht mehr existierende jüdische Friedhof in Sülzhayn

Der jüdische Friedhof in Sülzhayn ist nicht mehr sichtbar. Sehr wenige Quellen geben Auskunft über die frühere Existenz.


Bereits im 16.Jahrhundert ließen sich Juden im Ort Sülzhayn nieder. Der Grund dafür war die Ausweisung der Juden aus der zum damaligen Zeitpunkt bedeutenden Handelsstadt Nordhausen. Die jüdischen Familien mussten in das Umland ausweichen. Die Restriktionen der Niederlassungsfreiheit wurden erst im Jahr 1807 durch den im von Napoleon Bonaparte neu gegründeten „Königreich Westphalen“ gültigen „Code Napoleon“ genannten Gesetz aufgehoben. Die Juden wurden den Buchstaben nach Staatsbürger mit allen Rechten.


Durch die noch erhalten gebliebenen Verwaltungsvorgänge zur Gleichstellung der Juden in den Archivakten lassen sich Angaben über die jüdische Bevölkerung in Sülzhayn machen. Mit der Annahme neuer Zunamen der im „Westphälischen Königreich“ lebenden Familienoberhäupter waren in der Zeitung „Nordhäusisches wöchentliches Nachrichts꞊Blatt“ vom 7. November 1808 wurde 11 jüdische Familien in Sülzhayn angeführt. Im Verlauf der folgenden Jahre erfolgte offenbar der Umzug vieler jüdischen Familien in das attraktivere Nordhausen, so dass die Gemeinde irgendwann zu klein wurde, um weiter bestehen zu können. Um 1834 wurden ca. 417 Einwohner und 74 Häuser in Sülzhayn gezählt. Darunter waren auch Juden, die nicht nur ihre Lebensmittelpunkte, sondern auch religiöse Plätze im Ort aufbauten. So soll sich unterhalb des „Heilands“ eine Synagoge befunden haben. Gegenüber dem „Heiland“ zwischen der Sackbergtreppe und dem Sackberg, beim heutigen Aussichtpunkt „Freier Platz“ gab es einen jüdischen Friedhof.


Größe der Anlage: ca. 550 m², rechteckiges Areal

Der nicht mehr existierende jüdische Friedhof in Werna

Über das vergangene jüdische Leben in Werna geben nur sehr wenige Quellen Auskunft.


Bereits im 16. Jahrhundert ließen sich Juden im Ort Werna nieder. Der Grund dafür war die Ausweisung der Juden aus der zum damaligen Zeitpunkt bedeutenden Handelsstadt Nordhausen. Die jüdischen Familien mussten in das Umland ausweichen. Die Restriktionen der Niederlassungsfreiheit wurden erst im Jahr 1807 durch den im von Napoleon Bonaparte neu gegründeten „Königreich Westphalen“ gültigen „Code Napoleon“ genannten Gesetz aufgehoben. Zu dieser Zeit lebten rund 18 jüdische Familien in Werna. Im Verlauf der folgenden Jahre erfolgte offenbar der Umzug vieler jüdischen Familien in das attraktivere Nordhausen, so dass die Gemeinde irgendwann zu klein wurde, um weiter bestehen zu können.


Religiöse Orte jüdischen Lebens waren nachweislich eine 1793 gebaute oder sanierte Synagoge, eine Mikwe für rituelle Waschungen und ein Friedhof. Der Standort von der Synagoge und der Mikwe sind nicht bekannt.


Die Begräbnisstätte für die verstorbenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde ist ein rund 738 m² großes Areal am sogenannten Judenberg.


Ältere Ortsansässige können sich erinnern, dass sich auf dem Friedhof viele Einzelgrabstellen befanden, die jedoch in den letzten Jahrzehnten eingeebnet wurden. Die Grabsteine standen der Erinnerung nach nicht aufrecht, ein Hinweis darauf, dass es sich um sehr alte, aus der Anfangszeit der Gemeindeansiedlung im 16. Jhd. gehandelt haben könnte. Nach der Judenemanzipation wurden die Grabsteine in eine aufrechtstehende Position, zuerst allerdings ohne Sockel, gebracht. Ein Fragment eines Grabsteins aus hellem Sandstein im Boden belegt, dass es auch aufrechtstehende Grabsteine gab.


Mit dem der Auflösung der jüdischen Gemeinde in Werna, vermutlich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde auch der Friedhof nicht mehr genutzt.


Größe der Anlage: ca. 738 m², rechteckiges Areal

Literatur

Bleicherode

Zahradnik, Marie-Luis: Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen (2020-2022). Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens digital. Jüdische Friedhöfe im 19. Jahrhundert im Landkreis Nordhausen. Hg.: Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. – Regionale Arbeitsgruppe Thüringen, Dr. Marie-Luis Zahradnik, Nordhausen 2021.

Zahradnik, Marie-Luis: Das kulturelle Erbe digital erhalten. Ein Werkstattbericht über die Dokumentation und Präsentation des jüdischen Friedhofs in Bleichrode (Teil 2). In: Geschichts- und Altertumsverein, Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen (47. Band), Nordhausen 2022, S. 171-184.

Zahradnik, Marie-Luis: Das kulturelle Erbe digital erhalten – Dokumentation und Präsentation des jüdischen Friedhofs im Landkreis Nordhausen. In: Hahn, Hans-Werner/Kreutzmann, Marko (Hg.): Jüdische Geschichte in Thüringen. Strukturen und Entwicklungen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen (64. Band), Wien/Köln 2022, S. 427-450.

Zahradnik, Marie-Luis: „Digitale Überlieferung“, in: Gegen Vergessen – Für Demokratie (Hg.):  Gegen Vergessen – Für Demokratie – Magazin, Nr. 115/Juli 2023, S. 28-29.

Ellrich

Zahradnik, Marie-Luis: Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen (2020-2022). Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens digital. Jüdische Friedhöfe im 19. Jahrhundert im Landkreis Nordhausen. Hg.: Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. – Regionale Arbeitsgruppe Thüringen, Dr. Marie-Luis Zahradnik, Nordhausen 2021.

Zahradnik, Marie-Luis: Das kulturelle Erbe digital erhalten. Ein Werkstattbericht über die Dokumentation und Präsentation des jüdischen Friedhofs in Ellrich (Teil 1). In: Geschichts- und Altertumsverein, Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen (46. Band), Nordhausen 2021, S. 293-300.

Zahradnik, Marie-Luis: Das kulturelle Erbe digital erhalten – Dokumentation und Präsentation des jüdischen Friedhofs im Landkreis Nordhausen. In: Hahn, Hans-Werner/Kreutzmann, Marko (Hg.): Jüdische Geschichte in Thüringen. Strukturen und Entwicklungen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen (64. Band), Wien/Köln 2022, S. 427-450.

Zahradnik, Marie-Luis: „Digitale Überlieferung“, in: Gegen Vergessen – Für Demokratie (Hg.):  Gegen Vergessen – Für Demokratie – Magazin, Nr. 115/Juli 2023, S. 28-29.

Nordhausen

Zahradnik, Marie-Luis: Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen (2020-2022). Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens digital. Jüdische Friedhöfe im 19. Jahrhundert im Landkreis Nordhausen. Hg.: Gegen Vergessen – Für Demokratie e. V. – Regionale Arbeitsgruppe Thüringen, Dr. Marie-Luis Zahradnik, Nordhausen 2021.

Zahradnik, Marie-Luis: Das Haus des Lebens – Der Judenkirchhof in Nordhausen. In: Geschichts- und Altertumsverein, Museum Tabakspeicher, Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Beiträge zur Geschichte aus Stadt und Landkreis Nordhausen (39. Band), Nordhausen 2014, S. 231-246.

Zahradnik, Marie-Luis: Der Erste Weltkrieg und das Schicksal der jüdischen Soldaten aus Nordhausen – im Spiegel des Grabdenkmals 1921. In: Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (4/2014), S. 4-8.

Dies.: Auslandsrecherche zu gefallenen Nordhäuser jüdischen Soldaten am Anneau de Memoire in Frankreich (Teil 2). In: In: Stadtarchiv Nordhausen (Hg.): Nordhäuser Nachrichten. Südharzer Heimatblätter (25/2016), S. 25- 27.

Zahradnik, Marie-Luis: Das kulturelle Erbe digital erhalten – Dokumentation und Präsentation des jüdischen Friedhofs im Landkreis Nordhausen. In: Hahn, Hans-Werner/Kreutzmann, Marko (Hg.): Jüdische Geschichte in Thüringen. Strukturen und Entwicklungen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen (64. Band), Wien/Köln 2022, S. 427-450.

Zahradnik, Marie-Luis: „Digitale Überlieferung“, in: Gegen Vergessen – Für Demokratie (Hg.):  Gegen Vergessen – Für Demokratie – Magazin, Nr. 115/Juli 2023, S. 28-29.