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Hebräische Einbandfragmente

Wie in einigen anderen Bibliotheken und Sammlungen sind auch in der ThULB Jena mehrere Einbände aus mittelalterlichen hebräischen Handschriftenfragmenten entdeckt worden. Die Hintergründe, wie es zu einer Zweitverwendung von jüdischen Manuskripten als Buch­deckelverstärkungen und -umschläge kam, sind oftmals nur zu erahnen. Gelegentlich lässt sich noch rekonstruie­ren, dass jüdische Bibliotheken oder private Bestände geraubt und dann an Buchbinder verkauft wurden. Einmal beschriebenes Pergament blieb für Bindearbeiten geeignet, so dass sich häufig lateinische oder altdeutsche Handschriften, teilweise kostbar illuminiert, unter den Einbandfragmenten finden. Jüdische Einbandfragmente sind gleichwohl viel seltener erhalten. Dies liegt zum einen daran, dass von Juden meist genau darauf geach­tet wurde, handgeschriebene religiöse Schriften, insbe­sondere Bibelhandschriften, Tora-Rollen oder andere liturgisch verwendete Bücher, besonders zu schützen. In der Regel wurden und werden daher solche Schriften nach Zerschleiß oder Beschädigung in eine sog. Geniza („Kammer“) abgelegt. Dennoch ist seit Einführung des Buchdrucks eine gewisse Vernachlässigung von Hand­schriften auch unter Juden zu beobachten, so dass bei­spielsweise auch hebräische Drucke in Blätter aus hebräischen Kodizes eingeschlagen wurden.


Die ausgestellten Fragmente bieten einen repräsentati­ven Überblick über die in Einbänden wiederverwendeten hebräischen Handschriftenreste in Deutschland. Am häufigsten vertreten sind Bibelhandschriften, gefolgt von liturgischen Texten wie synagogale Gebetbücher (Machzor). Selten, aber dennoch verbreitet in Fragmen­ten aus Bucheinbänden, sind Midrasch-Texte – in Jena sogar mit zwei Belegen.

8.1

Fragment einer Bibelhandschrift

Abschnitte aus dem Buch Numeri (4. Mose 18:7–13; 25:29–34) mit gut erkennbarer Liniierung


Pergament, 15. Jh.; verklebt auf der Innenseite des Buchdeckels eines lateinischen klösterlichen Gesangbuches (Diurnale monasticum) aus dem frühen 16. Jh.


Ms. Prov. o. 227 (Kat.-Nr. 8.1)

(Kopie 3)

8.4

Aus dem Midrasch Tanchuma

Zwei Abschnitte (Schelach 16–17) aus dem hoch­mittelalterlichen Midrasch, benannt nach Rabbi Tan­chuma, einem Gelehrten des 4. Jh.


Pergament, 14./15. Jh.; auf einem Konvolutband astronomischer Werke des 17. Jh. aus der Altenburger Bibliothek


8 MS 11977 (Kat.-Nr. 8.4)

(Kopie 3)

8.3

Der große Midrasch Bereschit Rabba

zu Gen 25:23f., mit einer Erzählung über Kaiser Diokletian, der seine Karriere als Schweinehirt am See Genezareth begonnen haben soll.


Pergament, ca. 15. Jh.; vom Trägerband (Theodorus Prodromus, Epigrammata; Basel: J. Bebelium, 1536) gelöst


8 Op.theol.II,79 (Kat.-Nr. 8.3)

(Kopie 3)

8.5

Machzor für das Fest Hoschana Rabba

Das ist der letzte Tag des jüdischen Laubhütten­festes (Sukkot) am 21. Tischri (Anfang Oktober).


Pergament, 13. Jh.; Trägerband: Opera Joh. Mesue cum Complemento …; Venedig: Novimagius, 1479


2 Med.IX,20 (Kat.-Nr. 8.5)

(Kopie 3)

Zur Herkunft der Jenaer Einbandfragmente

Die beträchtliche Anzahl von erhaltenen Einbandfrag­menten in Deutschland lässt sich nicht mono­kausal er­klären, auch wenn die wiederkehrenden Verfolgungen und Vertreibungen von Juden wie der Fettmilch-Pogrom in Frankfurt am Main (1614) als Hintergrund meist am wahrscheinlichsten anzunehmen sind. Auch die Herkunft der Jenaer Fragmente ließ sich bislang nicht eindeutig klären. Eine Reihe von Bänden kam aus der aufgelösten Thüringischen Landesbibliothek Altenburg nach Jena. Diese war 1686 aus Dubletten der Gothaer Herzoglichen Bibliothek als zweite Hofbibliothek von Herzog Friedrich I. von Sachsen-Gotha-Altenburg begründet worden. Auf fünf dieser Jenaer Trägerbände erscheint das Supralibros „F“, welches Bücher aus seiner Bibliothek kennzeichnet, aber auch von den Herzögen Friedrich II. und III. von Sachsen-Gotha-Altenburg weiterverwendet wurde. Die Nähe zu mehreren vergleichbaren Einbandfragmenten in der Forschungsbibliothek Gotha legt die Vermutung nahe, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben. Eine (sorgfältig getilgte!) Widmung bei dem Trägerband 8 MS 8315 könnte auf einen calvinistischen Vorbesitzer in Frankfurt am Main und damit einen möglichen Zusam­menhang mit dem Fettmilch-Pogrom hinweisen. Denkbar wäre, dass die Bände dann als Kriegsbeute der Ernesti­ner im Dreißigjährigen Krieg nach Gotha und später Al­tenburg gelangten. 


Ein Blatt aus einem Kodex mit dem Talmud-Kommentar RaSCHIs, das vermutlich ebenfalls einem Bucheinband entnommen wurde, stammt aus einer Sammlung von Handschriften und Drucken, die Wolfgang Maximilian von Goethe, Enkel Johann Wolfgang von Goethes, der Biblio­thek in Jena vermachte (Ms. G.B. f. 32 [10], nicht aus­ge­stellt).

8.2

Der Beginn des Buches Jeremia

mit dem einleitenden Wort דבר = divr[e] „die Worte (Jeremias)“ in Großschrift


Pergament, 14. Jh.(?); verwendet als Einbanddecke eines botanisch-pharmazeutischen Werkes (Garcia de Orta, Aromatum, Antwerpen: Moretus, 1593)


8 MS 8315 (Kat.-Nr. 8.2)

(Kopie 3)

außer Katalog

Aschkenasische Bibelhandschrift

Text aus den Propheten Habakuk und Zefanja


Pergament, nicht datiert; verwendet als Einbanddecke zu Julius Caesar Scaliger: De Causis linguæ latinæ (1597); Supralibros „F“ der Herzöge zu Sachsen-Gotha-Altenburg 


8 MS 28979 (außer Katalog)

(Kopie 3)

(Kopie 1)

Hebräische Einbandfragmente (8)